Homunculi heißen bei Paracelsus vor allem die puppenähnlichen Figuren aus Wachs, Lehm oder Pech, die ganz im Sinne der heute mehr aus dem Voodoo bekannten Techniken beim Schadenszauber verwendet wurden. Auch sie sind mit Golems vergleichbar, d.h. rohe unbelebte Formen, die mit Hilfe magischer Methoden in ein energetisches Abbild desjenigen verwandelt werden, der aus der Ferne manipuliert werden soll. Zu einer eigenständigen Lebensform dieser Figuren kommt es dabei allerdings nicht. Doch bietet Paracelsus allen Ernstes auch ein Rezept oder eine Methode an, einen Homunculus als künstlichen Menschen aus der Retorte herzustellen:
"Wie aber solches zugehe und geschehen mag, ist nun sein Proceß also: nämlich daß das sperma eines Manns im verschlossenen Cucurbiten per se mit der höchsten Putrefaction[9], ventre equino, auf vierzig Tag putreficiert werde, oder so lang, bis es lebendig werde und sich bewege und rege, was leicht zu bemerken ist. Nach dieser Zeit wird es einem Menschen einigermaßen gleich sehen, doch durchsichtig, ohn ein Corpus. Wenn es nun nach diesem täglich gar weislich mit dem arcano sanguinis humani[10] gespeist und bis auf vierzig Wochen ernährt wird, und in steter gleicher Wärme ventris equini erhalten, wird ein recht lebendig menschlich Kind daraus, mit allen Gliedmaßen wie ein ander Kind, das von einem Weibe geboren wird, doch viel kleiner. Das selbige nennen wir ein homunculum, und es soll hernach nit anders als ein ander Kind mit großem Fleiß und Sorg auferzogen werden ..."[11]
Nachfolgende Adepten, wie z.B. Johannes Praetorius, probierten offenbar die Paracelsische Vorschrift aus, scheiterten und verdammten alles als baren Unsinn. Doch so einfach ist es wiederum nicht, wenn man bedenkt, daß die Alchemie nicht einfach nur äußeres ?chymisches" Arbeiten bedeutet, sondern vielmehr ein inneres Durchlaufen eines geistigen und spirituellen Reifeprozesses. Paracelsus war ein sorgfältig arbeitender Mann mit nachgewiesenermaßen großen Fähigkeiten und man sollte nicht von vornherein denken, daß er nicht wußte, wovon er schrieb. Schließlich gibt das Wort Alchemie selbst einen Hinweis auf die Kräfte, mit denen auch gearbeitet wurde - Al-Schem: der Name Gottes!
Goethe hat das Homunculus-Rezept in seinem zweiten Teil des ?Faust" aufgegriffen und in der berühmten Laboratoriumsszene mit dem Famulus Wagner ausgestaltet[12].
Im Gegensatz zu den historischen Berichten zum Golem muß der Homunculus zwingend in einem (abgeschlossenen) Gefäß erzeugt werden. Da Sperma verwendet wird, kann man regelrecht von der Nachbildung einer natürlichen Schwangerschaft in einer künstlich-mechanischen Umgebung sprechen, eine recht wahnwitzige Idee, wie sie von manchem modernen Frankenstein in der Tat immer noch geträumt wird. Es gibt jedoch einen seltenen, bei Scholem dokumentierten Bericht, der lange vor Paracelsus auch in kabbalistischen Kreisen die Verwendung eines "künstlichen Uterus" bezeugt. Ein gewisser Girondi aus Barcelona spricht dort in einem Talmud-Kommentar von den "Gelehrten in Deutschland, die fast tagtäglich mit Dingen der Dämonologie zu tun haben. Sie bestehen darauf, daß dies [das heißt: solche Herstellung eines Menschen] gerade in einem Gefäß geschehen muß."[13] Ein recht ähnliches Verfahren wendet noch ein berühmter Magier der Neuzeit, Austin Osman Spare, an, indem er einer Urne mit einem Talisman oder einer entsprechenden Sigil darin sein Sperma hinzufügt, sie verschließt und bei Nacht an einem Kreuzweg vergräbt.[14] Auch hier soll die Prozedur gewissermaßen ein astrales Wesen in der Erde erschaffen (zeugen), das dann für die gewünschte Realitätsbeeinflussung sorgt.
Quelle